Bluterkrankheit ist beherrschbar geworden

Die Therapie bei Hämophilie hat sich enorm weiterentwickelt – weitere Veränderungen stehen mit Gentherapie-Ansätzen kurz bevor, erklärt Prof. Barbara Zieger vom Universitätsklinikum Freiburg.

Bei einer Hämophilie ist die Blutgerinnung gestört.Königin Victoria von England gab die Bluterkrankheit als Überträgerin an viele ihre Nachkommen weiter. Deshalb war Hämophilie früher in den europäischen Adelshäusern weit verbreitet. Galt die Krankheit früher als Todesurteil, ist sie heute beherrschbar geworden. „Mit der Einführung einer vorbeugenden, prophylaktischen Therapie für Kinder haben wir vor 30 Jahren einen echten Wendepunkt erlebt. Zuvor konnten wir nur die Beschwerden lindern“ erklärt Ziegler. Mittlerweile sei die Therapie so gut, dass die Bluterkrankheit in vielen Fällen beherrschbar geworden sei. „Derzeit ist die Therapie wieder im Umbruch und am Horizont sehen wir schon Gentherapien, die die Behandlung komplett verändern könnten“, sagt Zieger.

Einblutungen führen zu starken Schmerzen

Bei einer Hämophilie ist die Blutgerinnung gestört, weil der Körper die Gerinnungsfaktoren Faktor VIII beziehungsweise Faktor IX nicht oder in zu geringer Menge herstellt. Dadurch werden Wunden nicht oder nur langsam geschlossen. Es kann auch spontan zu Blutungen kommen. Häufig sind Einblutungen in die Gelenke, was zu einer schweren Arthrose und starken Schmerzen führt. Etwa eines von 10.000 männlichen Neugeborenen leidet an der Erbkrankheit. Da Hämophilie X-chromosomal vererbt wird, sind zumeist Jungen betroffen.

Ein Teil der Patienten entwickelt Immunreaktion

Bei einer prophylaktischen Therapie wird den Patienten mehrmals in der Woche der fehlende Gerinnungsfaktor in das Blut gespritzt. Die Gerinnungsfaktoren werden aus Blut von Spendern gewonnen oder gentechnisch hergestellt. „Das war ein echter Wendepunkt. Heute können Hämophilie-Patienten ein relativ normales Leben führen und auch die Lebenserwartung ist vergleichbar mit der der Durchschnittsbevölkerung“, weiß Zieger. Ein Teil der Betroffenen entwickelt allerdings eine Immunreaktion gegen die fremden Gerinnungsfaktoren. Ein kürzlich auf den Markt gebrachtes Medikament, ein sogenannter bidirektionaler Antikörper, wirkt nun vergleichbar wie der natürliche Faktor VIII, hat aber eine gänzlich andere Form. So wird er nicht vom Faktor-VIII-Antikörper des Immunsystems angegriffen. Forscher arbeiten aber schon an einer Alternative: der Gentherapie. Dabei wird eine gesunde Variante des Gens, das für den Gerinnungsfaktor zuständig ist, in die Leberzellen eingeschleust. Die Zellen produzieren dann den Gerinnungsfaktor wieder ausreichend. Eine solche Therapie wird derzeit in Studien untersucht und könnte in den nächsten fünf Jahren Realität werden.