"Menschen müssen wieder Vertrauen zu Ärzt:innen aufbauen"

Autorin: Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten / Journalistin, Bloggerin, MS-Patientin

Wir haben unsere Leserinnen und Leser befragt, ob sie sich, bei einer Erkrankung, ausreichend von ihrem Arzt über die Behandlung informiert fühlen. Die Ergebnisse der Umfrage hat Birgit Bauer für uns eingeordnet. Sie ist Journalistin und Bloggerin in der "Manufaktur für Antworten", MS-Patientin und Mitglied des vfa-Patientenbeirats.


Liebe Leser:innen, vor einer Weile stellten wir Ihnen die Frage: „Haben Sie das Gefühl, dass Sie im Fall einer Erkrankung ausreichend und neutral über die möglichen Behandlungsmethoden und ihre Folgen durch Ihren Arzt informiert werden?“ Zugegeben, ich fand die Frage spannend und würde sie für mich beantworten mit: „Meistens fühle ich mich informiert, nachdem ich nochmal nachgefragt habe“.

Das Ergebnis unserer Umfrage scheint auf den ersten Blick recht klar: Die meisten der Teilnehmer:innen fühlten sich gut informiert. Abhängig ist das aber von verschiedenen Faktoren, wie z.B. Alter, Lebensstil oder auch dem Beruf. Erstaunlich ist, dass Menschen mit einer Ausbildung sich am besten informiert fühlen, wenn sie vom Arztgespräch kommen und damit Akademiker oder Menschen mit Berufsausbildung abhängen. Am wenigsten informiert, fühlen sich Menschen ohne Abschluss. Eine zukünftige Aufgabe kann und muss es sein, diese Gruppe besser zu erreichen.

Diese Aussage unterstreicht die Wichtigkeit des Arztgespräches, das am besten verständlich abläuft und in dem alle Fragen des Patienten vom Arzt so beantwortet werden, dass die Person fähig ist, mit gutem Wissen in Sachen Gesundheit zu entscheiden. Dass das eine Herausforderung für Mediziner:innen sein kann, ist verständlich. Die Diagnose und deren Konsequenzen, dazu Digitalisierung, informierte Patient:innen und auch unterschiedlicher Bildungsstand müssen in Gesprächen berücksichtigt werden. Das stellt für Ärzt: innen nicht selten eine Hürde da, denn der Zeitrahmen mit einem Patienten bzw. einer Patientin ist limitiert und jede:r möchte individuell behandelt werden. Dazu kommt ein unterschiedlicher Bedarf an Informationen vonseiten einer Person, sowie die Fragen die von Patient:innenseite gestellt werden.

57,8% der Befragten fühlten sich auf jeden Fall oder zumindest annähernd gut vom Arzt informiert, wenn es um Behandlung und Konsequenzen geht. Ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht sich für oder gegen eine Therapie zu entscheiden. Männer fühlen sich mit einem Anteil von 60% gut informiert, bei Frauen sind es 10 Prozentpunkte weniger, die sich gut beraten fühlen. Das unterstreicht den bekannten Fakt, dass Frauen als Gesundheitsmanagerin ihrer Familie gelten. Sie sind kritischer und fragen öfter nach. Sie wollen sich gut informiert fühlen und legen Wert auf neutrale wie verständliche Informationen, weil sie in der Lage sein möchten, gute Entscheidungen für ihre eigene Gesundheit aber auch für die ihrer Familienmitglieder treffen zu können.

Blickt man auf die Altersgruppen, ist erkennbar, dass ältere Menschen ihren Ärzt:innen offensichtlich mehr vertrauen als jüngere. Was sich auch dadurch erklären lässt, das jüngere Menschen häufiger auf Social Media unterwegs sind und die Nutzung des Internets für sie quasi zum Alltag gehört. Wenn sie Fragen haben, nutzen sie das Internet, egal wo und wann sich diese Fragen stellen. Das Netz hat keine Öffnungszeiten. Es ist immer da. Oft genutzt ist dann Dr. Google. Allerdings ist das kein guter Ansprechpartner, zu oft sind die Informationen nicht korrekt oder aber auch veraltet oder aus wenig vertrauenswürdigen Quellen. Daran müssen wir arbeiten, um die oft erwähnte „Health Literacy“ und Gesundheitskompetenz zu verbessern. Bei älteren Menschen genießt der Rat eines Arztes oder einer Ärztin immer noch ein höheres Ansehen, auch der Anteil der Internetnutzung ist eher noch niedriger, wenngleich auch hier eine Steigerung während der Pandemie festgestellt wurde.

Sieht man sich die Umfrage insgesamt an, ist klar erkennbar, dass der Anteil der Menschen, die sich von ihren Ärzt:innen gut beraten fühlen, durchaus größer sein könnte. Der Auftrag für das Gesundheitssystem ist es, Ärzt:innen wieder mehr Zeit mit ihren Patient:innen zu verschaffen – weg vom Fall hin zum Menschen. Für Ärzt:innen bedeutet das, auf die Person einzugehen und sie mit dem nötigen Wissen zu versorgen, um gemeinsam die nächsten Schritte in der Behandlung zu gehen. Die Herausforderung ist erkennbar: Menschen, besonders jüngere, müssen wieder Vertrauen zu Ärzt:innen aufzubauen. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, Fragen zu stellen und Informationen zu erhalten. Ihr Wissen sollte sich nicht durch Hörensagen oder falsche Informationen aufbauen, sondern von vertrauenswürdigen Quellen und von den Ärzt:innen kommen, damit ein wertvoller wie hilfreicher Dialog auf Augenhöhe stattfinden kann, der dabei hilft, in Sachen Gesundheit richtig zu entscheiden.

Birgit Bauer