„In dem Moment war Überleben das Wichtigste“

Als Claudia (Nachname der Redaktion bekannt) 28 Jahre alt war, wurde bei ihr ein kolorektales Karzinom entdeckt – die Diagnose: Darmkrebs. Im Interview spricht sie über fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen, ihren neuen Blick auf das Leben sowie Früherkennung.

Claudia aus Berlin.Wie haben Sie sich gefühlt, als der Arzt Sie auf die Kryokonservierung angesprochen hat?
Es war fast wie jede Diagnose oder Gespräch damals: Anstrengend und viel Kopfarbeit. Natürlich auch ein Schock, weil man sich darüber noch gar keine Gedanken gemacht hat – und das kam auch noch auf einen zu. Ich musste entscheiden: Möchte ich das? Kann ich mir das leisten? Es war sehr weit gedacht in einem Moment, in dem man nur von heute auf morgen lebt. So weit in die Zukunft zu denken, war sehr schwierig für mich.

Stand für Sie sofort fest, dass Sie die fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen durchführen lassen wollen?
Es war klar, dass ich das gerne machen würde. Ich war auch in einem Kinderwunschzentrum. Bei mir war allerdings die Diagnose schon so weit fortgeschritten, dass die dafür benötigte Zeit – etwa vier Wochen – für mich nicht mehr zur Verfügung stand. Ich habe es dann nicht gemacht, denn für mich war in dem Moment das Überleben das Wichtigste und nicht, was irgendwann potenziell in der Zukunft passieren kann. Finanziell wäre es damals auch nicht möglich gewesen. Ich hatte mir zu dem Zeitpunkt gerade ein Haus gekauft und hätte nicht gewusst, woher ich 4.500 Euro nehmen soll. Das wäre undenkbar gewesen.

Wie hat sich Ihr Blick auf das Leben nach der Erkrankung verändert?
Ich bin deutlich entspannter geworden und rege mich nicht mehr über Dinge auf. Grundsätzlich bin ich ein sehr emotionaler Mensch. Der positive Blick auf viele Dinge hat sich bei mir ausgeprägt und die negativen Dinge in meinem Leben sind immer mehr aussortiert worden – teilweise einfach so und teilweise ganz aktiv, weil mir meine Lebenszeit für Negativität zu schade geworden ist.

Wie wichtig ist in dem Zusammenhang Selbsthilfe, vor allem auch in
einer Situation, in der man als junger Erwachsener mit Krebs in Berührung kommt?

Ich glaube, dass Betroffene, die entweder das gleiche durchgemacht haben oder selber noch mittendrin sind, ein guter Ratgeber sind. Einfach weil sie schon Informationen eingeholt haben, über die man sich selber noch gar keine Gedanken gemacht hat. Ich denke aber auch, dass eine Erkrankung sehr individuell ist und dass nicht jeder sofort darüber sprechen kann oder will. Sobald man dazu in der Lage ist, ist Selbsthilfe meiner Meinung nach sehr hilfreich.

Wie muss sich der Prozess bei der Früherkennung noch verbessern?
Ich bin aufgrund von Beschwerden zum Hausarzt gegangen und wenn so ein Weichteiltumor schon Probleme macht, ist er natürlich schon deutlich fortgeschritten. Bei mir wurde dann sofort eine Darmspiegelung gemacht. Ich denke, dass eine deutlich bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfinden und dass nicht jeder Arzt nur seinen Teil der Genese beim Patienten sehen sollte.

Wann sind Beschwerden ausreichend, um eine Darmspiegelung beim Arzt einzufordern?
Bei Problemen sollte man sie auf jeden Fall einfordern. Gerade bei den jungen Patienten finde ich es extrem wichtig, dass sie ernster genommen werden, wenn sie mit wirklich schwerwiegenden und langwierigen Beschwerden zum Arzt gehen. Vor Kurzem ist eine junge Darmkrebs-Betroffene verstorben. Die erste Aussage ihres Hausarztes war: „Für Krebs sind sie eh zu jung. In die Richtung müssen wir gar nicht denken.“ Sie ist anderthalb Jahre lang falsch behandelt worden und jetzt tot. So etwas darf nicht passieren.

Sollte man eine Darmspiegelung zur Prävention durchführen lassen, auch wenn es keine Beschwerden gibt?
Der Weg zum Hypochonder ist sehr kurz. Ich finde es aber unglaublich wichtig, mit seiner Familie zu sprechen, um zu wissen, ob man erblich vorbelastet ist. Man darf aber nicht verrückt werden bei der ganzen Sache. Grundsätzlich sollte man – sobald Beschwerden auftreten – diese auf jeden Fall abklären lassen.

Vielen Dank für das Gespräch!