Neue Wege für Parkinson-Patienten

Prof. Tobias Warnecke, Oberarzt und Facharzt für Neurologie am Universitätsklinikum Münster, ist der Initiator und Koordinator des Parkinson-Netzes Münsterland+ . Im Interview spricht er über die nicht heilbare Krankheit Parkinson und warum es neue Versorgungsstrukturen braucht.

Prof. Tobias Warnecke. Oberarzt und Facharzt für Neurologie am Universitätsklinikum Münster.
Prof. Warnecke, wie kam es zur Gründung des Parkinson-Netzes Münsterland+?

Parkinson tritt bei jedem Betroffenen sehr individuell und vielschichtig auf. Daher stellt diese Erkrankung eine besondere Herausforderung für Patienten, deren Angehörige, Ärzte und andere medizinische Experten dar. Eine frühe Diagnose und die darauffolgende Versorgung im Verlauf der Erkrankung sind komplex – diese Komplexität erfordert ein hohes Maß an Vernetzung. Das Parkinsonnetz Münsterland+ will zukünftig mit allen Beteiligten genau hier ansetzen: durch abgestimmte Standards und einen verbesserten Informationsfluss. Im Juni 2017 hat sich das Netzwerk auf Initiative des Universitätsklinikums Münster als erster Zusammenschluss aus Betroffenen, Angehörigen sowie Experten, die am Versorgungsmanagement von Parkinson-Patienten beteiligt sind, gegründet.

Wie organisieren Sie sich und wie sind Betroffene im Netzwerk engagiert?

Die Patienten sind durch Selbsthilfegruppen oder als Einzelpersonen im Netzwerk vertreten und können bei der Gestaltung von Projekten mitwirken und ihre Meinung einbringen. Basis der Zusammenarbeit ist eine Kooperationsvereinbarung, die im September 2018 verabschiedet wurde. Diese haben bislang 26 regionale Partner unterschrieben und sind somit offiziell Partner in unserem Netzwerk. Quartalsweise gibt es ein Plenumstreffen, um aktuelle Themen zu diskutieren und Entscheidungen hinsichtlich laufender sowie weiterer Projekte zu treffen. Themenbezogen haben sich daneben 13 Arbeitsgruppen gebildet, die interdisziplinäre Projekte unseres Netzwerkes schwerpunktbezogen umsetzen. Darunter finden sich unter anderem die Themen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Ernährung, Aufklärung und Edukation. Die neu gewonnen Erkenntnisse fließen automatisch in die Behandlung von Betroffenen mit ein – die Patienten müssen hierfür nichts tun und werden von den Partnern des Netzwerks über den neusten Stand des Parkinsonnetzes Münsterland+ informiert.

Was wurde bisher mit dem Netzwerk erreicht?

Unsere aktuell laufenden Projekte finden großen Anklang in der Parkinsonwelt. Mehrere Versorgungseinrichtungen außerhalb des Münsterlands haben sich bereits als Unterstützer gemeldet und möchten die Arbeitsergebnisse des Netzwerks nutzen. Wir geben auch regionale Handlungsempfehlungen entlang des Versorgungspfades als Unterstützung für eine abgestimmte, parkinsonspezifische und interdisziplinäre Versorgungskette. In Arbeitsgruppen haben wir sogenannte Quickcards zu verschiedenen Versorgungsaspekten entwickelt, die evidenzbasiert und symptomorientiert Handlungsempfehlungen an die relevanten Akteure weitergeben. Gleichzeitig wird mit Hilfe der Quickcards eine detaillierte Einschätzung über die Symptome und Ursachen weitergegeben. Der Therapeut bekommt beispielsweise nicht nur die Verschreibung Physiotherapie, sondern die Zusatzinformation „Gleichgewichtsstörung“. Wissen wird unter den Beteiligten erhöht – nicht nur über Therapiemöglichkeiten, sondern auch über Ansprechpartner und Informationsbedarfe. So kann ein zielgerichtetes, sektorübergreifendes und abgestimmtes Versorgungskonzept entstehen.

Welche weiteren Projekte sind in Planung?

Wir möchten einen Patientenordner entwerfen: Eine Dokumentationsmappe für versorgungsrelevante Informationen mit der Versorgungshistorie, die beim Patienten bleibt. Zudem sollen dort relevante Informationen für Leistungserbringer und relevante Akteure liegen, die durch den Patienten freigegeben werden. Weiterhin wollen wir parkinsonspezifische Weiterbildungen organisieren und umsetzen.

Was können andere Vereine bzw. Gruppen von Ihnen lernen?

Dass man trotz befürchteter Hürden starten muss, um die Menschen zu identifizieren, die mit Elan oder motiviert daran mitarbeiten, so etwas aufzubauen. Das konnte man am Anfang noch gar nicht absehen.

Haben Sie noch weitere Ziele mit dem Netzwerk und Wünsche an die Gesundheitspolitik?

Unser großes Ziel ist die Optimierung der Versorgung. Strategische Schwerpunkte sind Vernetzung und Austausch der Akteure, Aufbau von interdisziplinären ambulanten und stationären Versorgungsteams mit gebündelter Expertise sowie die Weitergabe von Erfahrungen und Aufbau von parkinson-spezifischem Wissen. Von der Gesundheitspolitik wünsche ich mir, dass es innovativen Projekten einfacher gemacht wird, einen Weg in die Versorgung zu finden. Es ist unheimlich schwierig, dass ein neu gestartetes Projekt irgendwann ein dauerhaftes und von Krankenkassen finanziertes Modell wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Informationen zum Verein Parkinson-Forum Kreis Steinfurt finden Sie hier:
https://www.vfa-patientenportal.de/erkrankungen/neurodegenerative-erkrankungen/parkinson-forum-kreis-steinfurt