ASV: Spezielle Ärzteteams zur Behandlung bei Rheuma

Menschen mit komplexen, schwer therapierbaren Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wie Rheuma benötigen eine spezielle Versorgung. Für sie bietet sich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) als Therapieform an.

Das Besondere der ASV ist die Betreuung durch ein interdisziplinäres Ärzteteam. Da die Behandlung dieser Krankheiten besonders hohe Anforderungen an die Mediziner stellt, wird sie nicht von einem Arzt alleine, sondern mehreren Fachärzten verschiedener Fachrichtungen mit besonderer Qualifikation in einem Team durchgeführt. Dabei ist für jede Krankheit genau festgelegt, welche Fachärzte dem ASV-Team angehören müssen. Niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte können auch gemischte Teams bilden. Die Teammitglieder sind Spezialisten in der Behandlung der Erkrankungen. Bei Bedarf können sie weitere Ärzte und Psychotherapeuten hinzuziehen. Die Praxen oder Räumlichkeiten der Krankenhäuser der zusammenarbeitenden Ärzte müssen in der Regel örtlich nahe beieinander liegen, um dem Betroffenen lange Wege zu ersparen. Das Team wird koordiniert von einem federführenden Arzt, der erster Ansprechpartner für den Patienten ist. Zur ASV berechtigt sind niedergelassene Fachärzte, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), kooperierende Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte.

Welche Krankheiten werden behandelt?

Grundlage für die spezielle Versorgungsform ist Paragraph 116b SGB V. Hier können Betroffene einsehen, für welche Krankheiten die ASV möglich ist. Aufgeführt sind neben Erkrankungen mit schweren Verläufen wie Krebs, AIDS, Rheuma, Multiple Sklerose und Herzinsuffizienz auch seltene Erkrankungen wie Tuberkulose, Mukoviszidose, Morbus Wilson. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt für jede Erkrankung genau fest, welche Leistungen die Patienten im Rahmen der ASV erhalten können, welche Fachärzte beteiligt sein müssen und auch welche Geräte zur Diagnostik und Therapie vorzuhalten sind.

Die Behandlungskosten werden von der Krankenkasse übernommen. Für die Patienten ist die Therapie im Rahmen der ASV freiwillig. Sie brauchen allerdings eine entsprechende Überweisung von ihrem behandelnden Arzt, sofern dieser selbst kein Mitglied eines ASV-Teams ist. Die Überweisung kann je nach Indikation für ein oder für mehrere Quartale erfolgen – speziell bei Rheuma ist zur Weiterbehandlung nach zwei Quartalen eine erneute Überweisung erforderlich, sofern die Kriterien des besonderen Krankheitsverlaufs weiter vorliegen. Während bei anderen Erkrankungen die Diagnose gesichert sein muss, reicht es bei Rheuma aus, wenn der Verdacht auf die Indikation besteht, um als Patient in der ASV überwiesen zu werden.

Rheuma in der ASV

Mit Rheuma ist eine weitere Erkrankung mit besonderem Krankheitsverlauf in die ASV aufgenommen worden. Sie umfasst ein sehr heterogenes Krankheitsspektrum und regelt erstmalig in einem eigenen Teil die Versorgung von Kindern und Jugendlichen in der ASV. Eine Besonderheit ist außerdem, dass nicht nur Patienten mit einer gesicherten Diagnose, sondern auch jene mit Verdachtsdiagnose behandelt werden können, wie dies bei seltenen Erkrankungen der Fall ist. Da Rheuma erst seit April 2018 Bestandteil des ASV-Angebots ist, gibt es bundesweit noch keine Ärzteteams, die diese Versorgungsform für die Erkrankung anbieten, dies soll aber bald geschehen. Rheumapatienten, die älter als 18 Jahre alt sind, können in der ASV behandelt werden, wenn sie aufgrund der Ausprägung der Erkrankung eine interdisziplinäre oder komplexe Versorgung benötigen. Auch der Bedarf einer besonderen Expertise ist ein Kriterium für einen „besonderen Krankheitsverlauf“.

Behandelnde Mediziner im ASV-Kernteam sind Fachärzte für Rheumatologie, Dermatologie, Nephrologie, Pneumologie, Orthopädie und Unfallchirurgie. Ärzte mit einer ASV-Berechtigung für rheumatologische Erkrankungen können im Wesentlichen alle Leistungen durchführen, die zur Diagnostik, Behandlung und Beratung erforderlich sind. Dazu gehören auch augenärztliche Leistungen, eine Positronen-Emissions-Therapie mit/ohne Computertomografie bei erwachsenen Patienten mit Verdacht auf Großgefäßvaskulitiden. Neben allgemeinen Anforderungen muss das ASV-Team eine 24-Stunden-Notfallversorgung sicherstellen. Dafür kann es mit einer rheumatologischen Akutklinik oder einem Krankenhaus kooperieren, das über eine internistische Abteilung und Notaufnahme verfügt. Das ASV-Team ist weiterhin verpflichtet, Informationen zu Patientenschulungen bereitzuhalten und mit physiotherapeutischen Einrichtungen und sozialen Diensten zusammenzuarbeiten.

Was ist der Mehrwert für den Patienten?

Der Bundesverband ambulante spezialfachärztliche Versorgung (BV ASV) hat im Rahmen einer Studie unter der Federführung der bbw Hochschule Berlin 2016 eine Befragung der damals schon berechtigten Teamleiter durchgeführt. An der Befragung hatte sich auch der Bundesverband Managed Care beteiligt. Die Teamleiter sahen insbesondere die interdisziplinäre Kooperation als einen Mehrwert der ASV an. Auch der Zugang zu neuen Leistungen sowie die gegebenenfalls schnellere Terminvereinbarung (aufgrund der extrabudgetären Vergütung in der ASV) wurde als Vorteil gesehen. Die Ergebnisse sind in der G+S 2/2017 erschienen. Aus Sicht der Patienten ist laut Verband die Einbindung qualifizierter Kliniken in die ambulante Behandlung positiv zu sehen – insbesondere bei seltenen Erkrankungen oder künftig in der Rheumatologie, wo es eine erhebliche Unterversorgung gibt.

Konkrete Leistungen außerhalb der Regelversorgung

Wenn Patienten im Rahmen der ASV behandelt werden, bezahlen die Krankenkassen einige Leistungen, die sie in der „normalen“ Versorgung, der sogenannten Regelversorgung, nicht übernehmen. Dazu zählen:

Bei ASV Rheuma für Kinder und Jugendliche:

  • Begleitung des Ãœbergangs in ein erwachsenenorientiertes Versorgungssystem (Transition) unter Berücksichtigung der individuellen Entwicklung und Krankheitsbewältigung
  • Psychotherapeutisches Gespräch als Einzel- oder Gruppenbehandlung

Bei ASV Rheuma für Erwachsene:

  • Psychotherapeutisches Gespräch als Einzel- oder Gruppenbehandlung
  • Zusätzliche Augenärztliche Leistungen
  • PET; PET/CT bei Patienten mit Verdacht auf Großgefäßvaskulitiden bei unklarer Befundkonstellation (zum Beispiel trotz komplexer Diagnostik inklusive konventioneller Bildgebung, Liquordiagnostik oder histologischer Befunde, Gefäßsonografie) mit dem Ziel, einer therapeutischen Konsequenz
  • Begleitung von jungen Erwachsenen beim Ãœbergang in das erwachsenenorientierte Versorgungsystem (Transition) unter Berücksichtigung der individuellen Entwicklung und Krankheitsbewältigung in enger Zusammenarbeit mit dem bisher betreuenden Kinderarzt

ASV: noch gibt es zu wenige Teams

Insgesamt sollen sich bundesweit nach Angaben der ASV-Servicestelle ca. 300 ASV-Teams gebildet haben. Für die Behandlung von Rheuma hat sich allerdings in der kurzen Zeit seit Bestehen der Möglichkeit noch kein Team zusammengefunden (Quelle: ASV-Servicestelle). Dass sich auch für andere Erkrankungen weniger Teams als ursprünglich geplant zusammengeschlossen haben, liegt vermutlich auch an den komplexen Kriterien, die der G-BA zur Voraussetzung für ein ASV-Team festgelegt hat. Der Bundesverband ambulante spezialfachärztliche Versorgung kritisiert außerdem, dass einige Erweiterte Landesausschüsse (ELAs), die für die Zulassung der Teams zuständig sind, die Vorgaben sehr unterschiedlich auslegen. Dies führt in einigen Ländern zu hohen Hürden für diejenigen Ärzte, die sich im Rahmen der ASV engagieren möchten. „Auch kritisieren wir, dass im Rahmen der ASV keine Voraussetzungen für die Einführung einer elektronischen Fallakte geschaffen wurden. Weder gibt es eine entsprechende Verpflichtung, noch gibt es Anreize (zum Beispiel Vergütungspositionen) oder gesetzliche Rahmenbedingungen, die zum Beispiel beim Datenschutz helfen“, so der BV ASV.

Ursula Faubel, Geschäftsführerin der Deutschen Rheuma-LigaEin weiterer Kritikpunkt sei die höchst unterschiedliche Auslegung der Vorgaben durch die ELAs, die zu sehr unterschiedlich hohen Zugangshürden zur ASV in den Regionen führt. „Auch kritisieren wir, dass im Rahmen der ASV keine Voraussetzungen für die Einführung einer elektronischen Fallakte geschaffen wurden. Weder gibt es eine entsprechende Verpflichtung, noch gibt es Anreize (zum Beispiel Vergütungspositionen) oder gesetzliche Rahmenbedingungen, die zum Beispiel beim Datenschutz helfen“, so der BV ASV.

Kritik an der ASV kommt auch von der Deutschen Rheuma-Liga. Die Patientenorganisation hatte sich dafür eingesetzt, dass Patientenschulungen im Rahmen der ASV anrechenbar werden. „Leider ist nur die Information über Schulungen aufgenommen worden, so dass die Schulung selbst nicht finanziert werden“, kritisiert Geschäftsführerin Ursula Faubel. Zudem sei bisher der Eindruck entstanden, dass bei der Antragstellung viele bürokratische Hürden zu überwinden seien, so dass noch unklar sei, wie viele ASV-Teams überhaupt in der Versorgung aktiv werden können.

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