"Die Sichtweise von Patient:innen ist wertvoll und hilfreich bei fast allen Fragen der Krebsforschung"

Welche Rolle spielt die Patientenbeteiligung bei der Krebsforschung? Wie ist die Patientenbeteiligung in Deutschland aufgebaut? Und wie kann man sich engagieren? Darüber haben wir mit Rudolf Hauke gesprochen. Er ist Vorsitzender des Patientenbeirats am deutschen Krebsforschungszentrum.

Welche Erfolge konnten Sie bisher als Vorsitzender des Patientenbeirats der Krebsforschung des DKFZ erzielen?

Rudolf Hauke: Seit 2018 gibt es den aus 12 Mitgliedern bestehenden Patientenbeirat Krebsforschung am DKFZ. Er wurde eingesetzt, um die Patientenperspektive in die Forschungsstrategie einzubringen und eine Beratungsfunktion zu erfüllen. Wir haben bereits zu Themen wie der tierexperimentellen Forschung, dem Datenschutz in klinischen Studien oder der Krebspräventionsforschung Stellung bezogen. Bei der Entwicklung des strategischen Gesamtkonzepts zum Ausbau des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) um 4 weitere Standorte wurden Mitglieder des Patientenbeirats Krebsforschung im Sinne der Patientenpartizipation maßgeblich beteiligt. Als erster Patientenbeirat im Bereich Krebsforschung in Deutschland fungiert der DKFZ Patientenbeirat erfreulicherweise auch als Vorbild für die Einrichtung weiterer Patientenbeiräte in ganz Deutschland. Um das Verständnis für und Vertrauen in die Krebsforschung, in der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit weiter zu fördern, halte ich zudem persönlich Vorträge und informiere über unsere Arbeit.

Die Nationale Dekade gegen Krebs hat 2021 Prinzipien für eine erfolgreicher Patienten:innenbeteiligung veröffentlicht, nachdem ein europaweiter Dialog darüber stattgefunden hat. Sind solche Dialogformate wegeweisend für die zukünftige Patientenbeteiligung?

Rudolf Hauke: Die Prinzipien für eine erfolgreiche Patient:innenbeteiligung wurden im Rahmen eines Bottom-up-Prozesses, offen für alle interessierten Krebspatient:innen sowie Forschenden erarbeitet und diskutiert. Dazu kamen Ende 2020 über 130 Personen aus 16 europäischen Ländern zusammen, um die Prinzipien als eine erste Orientierung zur Patientenpartizipation auszuarbeiten und eine Art Anstoß für die Gesundheitsforschung insgesamt zu geben. Integrative Formate wie diese tragen dazu bei, die verschiedenen Perspektiven zusammenzubringen, zu verzahnen und die Forschung schließlich erfolgreicher zu machen. Wichtig ist jetzt, diese Prinzipien auch anzuwenden und Patient:innen von Anfang an in die Forschung einzubinden.

Rudolf Hauke, Vorsitzender des Patientenbeirat am deutschen Krebsforschungszentrums

Welche Möglichkeiten der Patientenbeteiligung gibt es in Deutschland?

Rudolf Hauke: In den USA und UK sind Patientenbeiräte z.B. schon seit 20 Jahren fester Bestandteil der Krebsforschung. In Deutschland gibt es langjährige Erfahrung mit Patientenorganisationen und der Krebsselbsthilfe sowie zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in den Kliniken. In der Grundlagenforschung und in der Ausgestaltung von Forschungsstrategien ist die Patientenbeteiligung allerdings noch ganz am Anfang. Unser Ziel ist es, Patient:innen in allen Phasen der Forschung zu beteiligen. Hierfür muss es ein stärkeres „Empowerment“ der Patient:innen geben. Es braucht eine Patientenakademie, an der wir als wissenschaftliche Laien das Angebot erhalten, unsere Kenntnisse im Bereich der medizinischen Forschung auszubauen um eine Beteiligung auf Augenhöhe zu ermöglichen.

Welchen Einfluss hat die Patientenbeteiligung auf die Behandlung von Krankheiten?

Rudolf Hauke: Die Sichtweise von Patient:innen ist wertvoll und hilfreich bei fast allen Fragen der Krebsforschung. Von der Prävention, über die Früherkennung bis hin zur Therapie. Durch die Einbindung von uns Patient:innen wird schnell klar, dass unser Fokus manchmal ein anderer ist als der der Forschenden. So ist die Optimierung von Therapien hin zu einer Verbesserung der Lebensqualität manchmal wichtiger als eine Verlängerung des Lebens unter schlechten Bedingungen. Es gibt Patient:innen die sagen: „Man muss den Jahren mehr Leben geben, nicht dem Leben mehr Jahre!“. Durch diese Perspektive können beispielsweise Studienendpunkte neu definiert werden und Therapien können patientenorientierter werden.

Ich bin selbst krank und möchte, dass meine Stimme gehört wird. Wie kann ich mich in der Patientenbeteiligung engagieren?

Rudolf Hauke: Da gibt es ganz verschiedene Wege, die größtenteils von der eigenen Bereitschaft und Leistungsfähigkeit abhängig sind. Angefangen mit Patientenumfragen beispielsweise auf fragdiepatienten.de, der festen Mitgliedschaft in Patientenorganisationen bis hin zur aktiven Mitarbeit in Patientenbeiräten der Forschung gibt es ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Mittlerweile wurden an der Mehrheit der deutschen Comprehensive Cancer Center (CCC) und an den Standorten des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Patientenbeiräte eingerichtet. Interessierte Patient:innen können sich an die zuständigen Stellen der Institutionen wenden.


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