Patienten im Gemeinsamen Bundesausschuss
Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft wichtige Entscheidungen über die medizinische Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Welche Möglichkeiten Patienten haben, darauf Einfluss zu nehmen, erfahren Sie hier.
Gemeinsamer BundesausschussDer Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), auch „Kleiner Gesetzgeber“ genannt, ist für Patienten eine der wichtigsten Instanzen im Gesundheitswesen, denn er entscheidet darüber, welche Untersuchungen und Behandlungen die GKV bezahlt und welche nicht. Seit 2004 sitzen chronisch kranke und behinderte Menschen oder Vertreter ihrer Organisationen dort mit am Tisch. Die damalige Einführung war „ein Meilenstein in der Bewegung für mehr Selbstbestimmung behinderter und chronisch kranker Menschen“, wie der Deutsche Behindertenrat auf seiner Internetseite schreibt.
Auf welche Weise sich die Patienten im G-BA konkret beteiligen können, ist in Paragraf 140f Sozialgesetzbuch V festgelegt. Sie haben ein Mitberatungs- und Antragsrecht – ein Stimmrecht dagegen nicht. Ihre Vertreter sind in den Plenums- und Ausschusssitzungen anwesend, dürfen alle Unterlagen einsehen und können die Sichtweise der Betroffenen in die Diskussion einbringen. Darüber hinaus können die Vertreter beantragen, ein Präparat in die OTC-Liste oder neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.
Wer darf mitberaten?
Welche Kriterien die Organisationen erfüllen müssen, um im G-BA mitberaten zu dürfen, regelt die sogenannte Patientenbeteiligungsverordnung. Mit dem Deutschen Behindertenrat (DBR), der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -initiativen (BAGP), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sind dort vier Organisationen benannt, die berechtigt sind, Patientenvertreter zur Mitwirkung im G-BA zu ernennen. Die Organisationen sollen einvernehmlich sachkundige Personen auswählen, die für das jeweilige Gremium oder das Beratungsthema eine besondere Kompetenz besitzen. Mehr als die Hälfte der Vertreter müssen dabei aus dem Kreis der Betroffenen oder ihrer Angehörigen stammen. Die vier Organisationen greifen dazu auf die Selbsthilfeorganisationen zurück, die sich mit den jeweiligen Themen auskennen, wie etwa auf die Deutsche Rheuma-Liga, wenn die Entscheidungen die Versorgung von Rheumapatienten betreffen.
Rund 250 ständige Patientenvertreter
Es erfordert erhebliche Kapazitäten, sich in den verschiedenen Gremien des G-BA einzubringen. Denn neben dem Plenum, an dem sich fünf Patientenvertreter beteiligen, wollen auch neun Unterausschüsse und zahlreiche Arbeitsgruppen besetzt werden. Etwa 250 Personen nehmen als ständige Patientenvertreter und deren Stellvertreter das Mitberatungsrecht wahr. Die Benennung erfolgt gremienbezogen für einen Zeitraum von vier Jahren. Dazu kommen sachkundigen Personen, die nur ein spezifisches Thema mitberaten. Die Patientenvertreter bekommen die Reisekosten und ihren Verdienstausfall erstattet und erhalten eine pauschale Aufwandsentschädigung. Seit 2007 unterstützt die G-BA-Stabsstelle Patientenbeteiligung die Vertreter der Selbsthilfe inhaltlich und organisatorisch. Sie bereitet die Sitzungen vor, berät bei Anträgen, organisiert Schulungen und Arbeitstreffen und hilft bei rechtlichen Fragen.
Was hat die Patientenvertretung erreicht?
Viele Leistungen sind inzwischen auf Antrag der Patientenvertretung im G-BA in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen worden. Dazu zählen zum Beispiel die Versorgung mit Kontaktlinsen bei zwingender medizinischer Erforderlichkeit und die Übernahme der Kosten für eine Ernährungsberatung bei Mukoviszidose und seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Auch die Früherkennung angeborener Herzfehler bei Neugeborenen konnte dank der Patientenvertreter verbessert werden.
Ausbau der Beteiligungsrechte
Seit einiger Zeit fordern die Patientenvertreter mehr Beteiligungsrechte. „Um die Interessen der Patientinnen und Patienten effektiver zu vertreten, brauchen wir als nächsten Schritt ... ein Stimmrecht in Verfahrensfragen“, erklären die im G-BA beteiligten Organisationen bereits 2008 in einem Positionspapier. Dies beträfe die Geschäfts-, Verfahrens- und Tagesordnung, das Protokoll sowie die Themensetzung. Sie hätten damit die Möglichkeit, auf die Art der Beratung und die Verfahren im G-BA stärkeren Einfluss zu nehmen. Dies sei erforderlich, um der gestiegenen Verantwortung der Organisationen gerecht werden zu können. „Wenn wir für Entscheidungen stärker in Haftung genommen werden, müssen wir auch größeren Einfluss auf den Prozess der Beratungen haben“, so die Organisationen. Dabei gehe es ausdrücklich nicht um eine Mitentscheidung in Sachfragen. Im Patientenrechtegesetz konnten sie ihre Forderung jedoch nicht durchsetzen. Dafür billigte der Gesetzgeber den Patientenvertretern zu, dass der G-BA über ihre Anträge in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten habe (lesen Sie dazu auch „Was besagt das Patientenrechtegesetz?“).
AMNOG: Beteiligung an der frühen Nutzenbewertung
Bei der führen Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), bei der neue Medikamente auf ihren Zusatznutzen getestet werden (lesen Sie dazu auch „Wie werden neue Arzneimittel bewertet?“) haben Patientenvertreter verschiedene Möglichkeiten, sich in den Bewertungsprozess einzubringen. So zieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das vom G-BA mit der Bewertung der von den Herstellern eingereichten Nachweise beauftragt wird, auch externe Experten zu Rate. Patientenvertreter können ihre Sachkenntnis zur Behandlung einer Erkrankung über einen Fragebogen einbringen. Da das IQWiG selbst nur drei Monate für die Bewertung hat, ist die Zeit allerdings knapp bemessen und bedeutet für die Patientenorganisationen eine große Herausforderung. Im Anschluss an das IQWiG analysiert der G-BA die Bewertung. Hierfür kann er ein Stellungnahmeverfahren einleiten, an dem sich neben dem Hersteller des Arzneimittels auch Patientenorganisationen beteiligen können. Der G-BA entscheidet dann über den Umfang des Zusatznutzens, auf dessen Grundlage der Hersteller und der GKV-Spitzenverband einen Preis für das Medikament aushandeln. Hieran sind Patientenvertreter nicht beteiligt – sie kommen allerdings wieder ins Spiel, wenn sich das Pharma-Unternehmen und der GKV-Spitzenverband nicht einigen können. Denn dann entscheidet eine Schiedsstelle über den Betrag, die Patientenvertreter haben dabei ein Mitberatungsrecht.