Blickpunkt: Digitalisierung und Gesundheit

Was ist der "European Health Data Space"? Wie weit ist Deutschland bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen? Und was macht die gematik?

Diese und weitere Fragen erklären wir in den Blickpunkten.

Warum ist die Digitalisierung im Gesundheitssektor wichtig?

Die Digitalisierung spielt mittlerweile in den allermeisten Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Das gilt auch für das Gesundheitswesen. Das Ziel: Mehr Effizienz, mehr Komfort für Patient:innen, aber auch eine bessere Versorgung. Gerade in den vergangenen Jahren wurden deshalb viele Projekte zur Digitalisierung im Gesundheitswesen angeschoben. So ist das elektronische Rezept (E-Rezept) in eine Versuchsphase gestartet und soll noch in diesem Jahr eingeführt werden. Auch ist seit Anfang 2023 die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) verfügbar. Bei letzterem wird die Krankschreibung direkt an die Krankenversicherung und an den Arbeitergeber weitergeleitet.

Für Patient:innen bedeutet das vor allem weniger Papierkram und effizientere Wege. Eine wichtige Rolle nimmt bei der Digitalisierung zudem auch die Versorgung ein. Insbesondere im ländlichen und strukturschwachen Raum, wo die medizinische Versorgung weniger dicht ist als im urbanen Raum, kann eine telemedizinische Untersuchung Engpässe verhindern und bei der Behandlung von Krankheiten helfen. Die Bundesregierung hat das erkannt und will regelmäßige telemedizinische Leistungen „inklusive Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen sowie Videosprechstunden, Telekonsile, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung“ ermöglichen.

Zunehmende Bedeutung kommt der Digitalisierung und den damit verbundenen Daten auch in der Forschung zu. Wo viele (anonymisierte) Daten von Patient:innen erhoben werden, können Krankheitsbilder besser und systematischer ausgewertet, erforscht und am Ende zielgerichteterer behandelt werden. Auch können die Daten dabei helfen, Risiken für bestimmte Krankheiten früher zu erkennen. So basiert die personalisierte Medizin auch auf „Big Data“ und Künstlicher Intelligenz.

Mit dem digitalen Wandel im Gesundheitssektor werden neue Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten geschaffen, bürokratische Hürden abgebaut und neue Kommunikationswege und -plattformen geschaffen. Die Einsatzfelder sind dabei fast grenzenlos: Der Einsatz von Robotik kann sowohl in der Pflege (DiPA) als auch im Operationssaal dem Fachkräftemangel entgegenwirken, indem Roboter Assistenzaufgaben übernehmen.


Zum Weiterlesen:

Digitale Gesundheit (vfa)

Blickpunkte: DiGA, ePA, E-Rezept (vfa-patientenportal)

Digitalisierung im Gesundheitswesen (Bundesgesundheitsministerium)

Digitalisierung Gesundheitswesen (PwC)

Was ist der European Health Data Space (EHDS)? Und welche Auswirkung hat er auf Patient:innen?

Der Europäische Gesundheitsdatenraum (engl.: „European Health Data Space“; kurz: EHDS) ist eine Initiative innerhalb der EU. Das Ziel: Nationale Gesundheitssysteme auf europäischer Ebene vernetzen und den Austausch von europäischen Gesundheitsdaten ermöglichen. Dabei gibt es zwei Arten: Durch die Primärnutzung sollen vor allem die Bürger:innen Zugang zu ihren eigenen Daten erhalten und diese kontrollieren und für die Versorgung nutzen können. Bei der Sekundärnutzung profitiert vor allem die Forschung. Durch den Zugang zu potenziell Millionen von (anonymisierten) Daten ergeben sich einige Vorteile. Einer davon: Die Behandlung von Patient:innen mit seltenen Erkrankungen. Beim europäischen Austausch von Daten ergibt sich ein aussagekräftigeres Bild als bei der rein nationalen Betrachtung mit womöglich nur wenig Erkrankten. Die Grundlagen für den Europäischen Gesundheitsdatenraum sollen bis 2025 gelegt werden.

Doch nicht nur die Forschung von sog. „Orphan Drugs“ profitiert davon, sondern jede:r Europäer:in. So sollen Rezepte europaweit in allen Apotheken eingelöst werden können und wenn jemand im Urlaub erkrankt, kann der jeweilige Arzt/die Ärztin im europäischen Ausland auf die digitale Krankenakte zugreifen und die medizinische Vorgeschichte einsehen.

Der Datenschutz und die Souveränität über die digitalen Gesundheitsdaten haben dabei oberste Priorität. So kann jede:r Nutzer:in selbst entscheiden, welche Daten wann mit wem geteilt werden und welche personenbezogen Daten nur anonym verwendet werden können.


Zum Weiterlesen:

European Health Data Space (Europäische Kommission)

Europäischer Gesundheitsdatenraum schnell erklärt (vfa)

5 things to know about the EU’s health data space (Politico)

Questions and answers - EU Health (Europäische Kommission)

Was ist der Stand in Deutschland? Was ist das Gesundheitsdatennutzungsgesetz?

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland schreitet voran, auch wenn andere Länder bereits bedeutend weiter sind. Während der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Isolationspflicht für Infizierte haben z.B. telemedizinische Leistung an Bedeutung gewonnen. Auch das E-Rezept und die eAU werden Schritt für Schritt umgesetzt. Aber gerade mit Blick auf das Ziel des EHDS, also die Vernetzung der nationalen Gesundheitssysteme innerhalb der EU, muss die Nutzung digitaler Gesundheitsdaten besonders geregelt werden. Schließlich handelt es sich um hochsensible Daten.

Das sog. „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ soll dabei helfen, den EHDS auch national umzusetzen. Damit soll geregelt werden, wie die Nutzung von Gesundheitsdaten mit der Datenschutzgrundverordnung in Einklang gebracht werden kann. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch die Nutzung anonymisierter Gesundheitsdaten für die private medizinische Forschung. Noch gibt es dazu keinen Beschluss, allerdings drängen viele Akteure wie z.B. das Bundesland Baden-Württemberg, auf eine einheitliche, bundesweite Ausgestaltung. Das Bundesland setzt das Thema im Bundesrat auf die Tagesordnung. Doch nicht nur die gesetzliche Regelung, auch die konkrete Umsetzung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes ist Teil einer anhaltenden Diskussion. Es soll eine sichere und dezentrale Infrastruktur für die digitalen Daten aufgebaut und die TelematikInfrastruktur (TI) ausgebaut werden, um eine bessere Vernetzung zwischen den Gesundheitsakteuren zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat die Einführung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes in den Koalitionsvertrag aufgenommen.


Zum Weiterlesen:

Position zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (Techniker Krankenkasse)

Fachleute für zeitnahes Gesundheitsdatennutzungsgesetz (Ärzteblatt)

Länder machen Druck: Wann kommt das Gesundheitsdatennutzungsgesetz? (Deutsche Apotheker Zeitung)

Was ist die gematik? Und welche Aufgaben erfüllt sie?

Die gematik wurde 2005 gegründet, um die Digitalisierung im Gesundheitssektor voranzutreiben und eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. Dabei hat die gematik drei zentrale Aufgaben: Zum einen kümmert sie sich um die TelematikInfrastruktur. Alle Dienste und Anwendungen müssen funktionieren, interoperabel und kompatibel sein. Zuletzt müssen die Systeme und damit auch die Daten sicher und geschützt sein. Damit das gewährleistet ist, legt das Unternehmen die Merkmale und die Anforderungen für die Dienste, Systeme und Komponenten fest. Sie definiert sie und konzipiert damit die Standards für sämtliche TI-relevante Hard- und Software. Die zweite Aufgabe liegt in der Zulassung der Anwendungen. Anhand dieser Vorgaben können Unternehmen Dienste entwickeln, die den Ansprüchen genügen müssen. Sollte das der Fall sein, werden sie ausgiebig von der gematik getestet. Sollten alle Kriterien erfüllt sein, bekommt die Anwendung eine Zulassung in der TelematikInfrastruktur. Die dritte Aufgabe der gematik ist die Koordination und Entwicklung der Infrastruktur. Auch wenn die Industrie den Betrieb der Anwendungen übernimmt, so entwickelt die gematik die Infrastruktur immer weiter und passt sie ggf. an neue Gesetze und neue Verfahren an. Immer mit dem Ziel, die Daten bestmöglich zu nutzen und zu schützen. Seit Oktober 2019 ist die gematik zu 51% in der Hand des Bundesministeriums für Gesundheit. Die gematik ist somit Dreh- und Angelpunkt bei der administrativen und technischen Umsetzung von Digitalisierungsstrategien im Gesundheitswesen.


Zum Weiterlesen:

Nationale Agentur für Digitale Medizin (gematik)

Gematik (Digitales Gesundheitswesen)

gematik (AOK Bundesverband)

Was ist die Aufgabe der gematik? (Progenerika)

Wie steht es um die elektronische Patientenakte?

Eines der größten Digitalisierungsvorhaben ist die elektronische Patientenakte (ePA). Diese gibt es zwar schon seit 2021, allerdings mit einem Haken: Sie muss bei der Krankenkasse selbst beantragt werden. Hier können Befunde, Allergien, OP-Berichte, Blutwerte etc. gespeichert werden, um die Behandlung effizienter zu machen. Die ePA nutzen aber momentan nur knapp 380.000 Menschen in Deutschland. Das soll sich 2023 ändern. Damit die Breite der Patienten:innen schneller die technologischen Möglichkeiten und Gesundheitsvorteile der Digitalisierung nutzen, will das Bundesgesundheitsministerium ein sog. „Opt-Out“-Verfahren auf den Weg bringen. Das bedeutet: Jede:r Büger:in bekommt automatisch eine ePA. Sollte er/sie diese nicht wünschen, muss er/sie aktiv widersprechen, also die Option ziehen, keine ePA nutzen zu wollen.

Die neuen technischen Möglichkeiten rund um die ePA werden dazu führen, dass Behandlungen schneller und effektiver durchgeführt werden können. Beim Besuch von mehreren Fachärzten oder bei einem Notfall im Krankenhaus liegt beispielsweise immer die komplette Anamnese vor. Informationslücken können mit der ePA deutlich verringert werden. Ebenso können bereits jetzt schon öffentliche Stellen anonymisierte Daten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung nutzen. Bei der ePA hat der/die Nutzer:in die volle Kontrolle über ihre Daten, denn auch hier gilt die strenge Datenschutzgrundverordnung. Zudem wird die ePA dazu beitragen, die Kosten im Gesundheitssystem zu reduzieren.


Zum Weiterlesen:

Elektronische Patientenakte (Bundesgesundheitsministerium)

Elektronische Patientenakte: Lauterbach bringt Opt-out-Verfahren auf den Weg (Handelsblatt)

E-Patientenakte (gematik)

Können Patient:innen das E-Rezept schon verwenden?

Seit dem 1. September 2022 sind Apotheken in Deutschland in der Lage, E-Rezepte einzulösen und abzurechnen. Allerdings ist die Einführung nicht ganz ohne Probleme verlaufen. Schritt für Schritt haben einige Bundesländern das E-Rezept eingeführt, allerdings wurde das sog. „Rollout“ auch wieder gestoppt, da es nach wie vor technische Probleme gibt. Eine verpflichtende Einführung wurde verschoben, um den Akteuren Zeit für die technische Fehlerbehebung zu geben. Nun soll es Mitte des Jahres 2023 zusammen mit einer Überarbeitung der elektronischen Gesundheitskarte eingeführt werden. Das Rezept vom Arzt wird dann auf der Gesundheitskarte „gespeichert“ und kann von der Apotheke ausgelesen werden. Um die problemfreie Umsetzung des Vorhabens kümmert sich nun die gematik.


Zum Weiterlesen:

Das E-Rezept startet! (Bundesgesundheitsministerium)

Wann ist das E-Rezept gesichert? (Apotheke Adhoc)

Nur wenige wollen das E-Rezept – Sanktionen für schnellere Einführung gefordert (heise online)

E-Rezept und Patienten-App (ABDA)