"Datennutzung heißt auch höchstmöglicher Datenschutz"

Was ist das Gesundheitsdatennutzungsgesetz? Warum ist es notwendig? Und warum benötigt die private Forschung personenbezogene Daten? Diese und noch weitere Fragen hat uns Delia Strunz beantwortet. Sie ist Director Government Affairs & Policy Germany bei Johnson&Johnson.

Um was geht es beim Gesundheitsdatennutzungsgesetz?

Delia Strunz: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Erarbeitung eines Gesundheitsdatennutzungsgesetzes, kurz GDNG, vor. Das Gesetz ist auf der Roadmap des Bundesgesundheitsministeriums für das erste Halbjahr 2023 fest eingeplant. Das GDNG soll nicht nur Bedingungen für bessere Datennutzung im Gesundheitswesen in Deutschland schaffen, sondern auch die Voraussetzungen, dass die aktuell für das Jahr 2025 geplante Etablierung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) in Deutschland möglichst schnell und ohne Abstimmungsverluste vonstattengehen kann.

Welche Auswirkungen hat das Gesetz?

Delia Strunz: Da es bisher noch keine Eckpunkte seitens des BMG zu diesem Gesetz gibt, können wir nur zu den Zielen Auskunft geben, die wir als Gesundheitsunternehmen mit diesem Gesetz verbinden. Aus unserer Sicht als Gesundheitsunternehmen sollte dieses Gesetz eine solide Grundlage für die Forschung im Gesundheitsbereich schaffen, einhergehend mit der Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland. V.a. aber geht es um eine datenbasierte und damit bessere und patientenorientierte Versorgung. Denn qualitativ hochwertige Gesundheitsdaten ermöglichen:

  • individuellere und passgenauere Produkte und Lösungen für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen zu entwickeln,
  • schon vorhandene Therapien fortlaufend anzupassen und zu optimieren, um bspw. die Patientensicherheit weiter zu erhöhen,
  • alltägliche, klinisch-relevante medizinische Fragestellungen gezielter zu identifizieren und effizienter Forschungsschwerpunkte zu setzen und damit auch beteiligte Patient:innen zu entlasten und
  • aufwändige klinische Studien zu beschleunigen, z.B. mithilfe synthetischer Kontrollarme bei seltenen Erkrankungen, um innovative Therapien schneller zu den Patient:innen zu bringen.

Im Ergebnis stellen wir uns eine bedarfsgerechte, passgenaue Gesundheitsversorgung für die Menschen in unserem Land und darüber hinaus vor, die Patient:innen bestmöglich in ihrem täglichen Leben und Behandelnde bei den Arbeitsabläufen in den Versorgungsumgebungen unterstützt.

Wieso ist das für die private Forschung wichtig?

Delia Strunz: Obwohl forschende Gesundheitsunternehmen in Deutschland einen Anteil von 87% an den Forschungsaktivitäten im Gesundheitssektor erbringen, haben sie bisher nur sehr beschränkte Möglichkeiten, versorgungsnahe Gesundheitsdaten für Forschungszwecke zu nutzen. Konkret bedeutet das z.B., dass sie für die Bearbeitung von Forschungsfragen keine Datennutzung beim neu etablierten Forschungsdatenzentrum beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen können. Das ist auch deshalb schwierig, weil bei vielen gesetzlich vorgegebenen Bewertungsverfahren Daten aus dem deutschen Versorgungskontext obligatorisch sind. Diese Daten müssen dann mühsam aus verschiedenen Quellen zusammengestellt werden.

Warum benötigt die private Forschung überhaupt die Daten der Patient:innen?

Delia Strunz: Zukünftig wird die medizinische Forschung noch stärker datengetrieben und abhängig von strukturierten Daten mit guter Datenqualität sein. Denn aufbereitete Datensets aus der Versorgung von Patient:innen geben z. B. einen Überblick über das Versorgungsgeschehen in speziellen Krankheitsfeldern und die Anwendung von Therapien in der medizinischen Praxis. Die Möglichkeit eines geregelten Zugangs für private Forschung in Deutschland zu solchen Daten würde z. B. die Erforschung schwerwiegender und chronischer Erkrankungen, die Entwicklung von neuen Arzneimitteln erleichtern oder helfen, noch unbekannte oder seltene Erkrankungen zu erkennen.
Forschende Gesundheitsunternehmen erfüllen im übertragenen Sinn damit einen gesellschaftlichen Auftrag, denn sie arbeiten kontinuierlich daran, durch hochwirksame Therapiemöglichkeiten und unterstützende Gesundheitsanwendungen das Leben der Menschen zu verbessern. Als Gesundheitsunternehmen sehen wir es als unsere Aufgabe an, Arzneimittel und unterstützende Gesundheitslösungen so individuell auf Patient:innen anzupassen, wie möglich. Wir leben in bestimmten Rahmenbedingungen – sozialen, wirtschaftlichen und auch hinsichtlich der Art und des Umfangs der Gesundheitsversorgung. Diese Bedingungen sind von Land zu Land unterschiedlich. Wenn es um die Entwicklung, Zulassung und Bewertung von Arzneimitteln geht, sollen diese Aspekte entsprechend berücksichtigt werden. Das gelingt nur mit Gesundheitsdaten von projektrelevanten Personengruppen, die für diese Zwecke de-personalisiert werden.
Zunehmend gelingt es sogar, personalisierte Therapien zu entwickeln und herzustellen. In so einem Fall würden die Gesundheitsdaten der Person die Grundlage für die Herstellung der Therapie sein, diese Daten müsste der oder die Patient:in selbstverständlich für diesen Zweck aktiv freigeben.

Sind meine Daten sicher und anonym?

Delia Strunz: Als forschende Gesundheitsunternehmen arbeiten wir seit Jahrzehnten mit personenbezogenen Daten – insbesondere im Rahmen unserer klinischen Studien – und halten uns dabei immer an höchste gesetzlich geregelte Standards.
Dass wir bei der Nutzung von Gesundheitsdaten mit größtmöglicher Gewissenhaftigkeit vorgehen, ist für uns selbstverständlich. Tagtäglich arbeiten wir daran, bestmögliche Therapien zur Heilung oder Unterstützung von Menschen – also für Menschen – zu entwickeln. Dieses Verständnis – für Menschen – greift auch beim Umgang mit sensiblen Daten. Datennutzung bedeutet für uns zugleich auch höchstmöglicher Datenschutz.


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