Shared-Decision-Making: Patient und Arzt entscheiden gemeinsam

Der Arzt beschließt und der Patient nickt ab – solch patriarchale Strukturen werden von vielen heute nicht mehr gewünscht. Betroffene wollen über ihre Therapie mitentscheiden. Doch die gemeinsame Entscheidungsfindung ist gar nicht so einfach.

Der mündige Patient kommuniziert mit seinem Arzt auf einer Augenhöhe. Beide sind Experten: der Arzt für die medizinischen Fragen, der Patient ist Experte in eigener Sache, er kennt am besten seine Krankheit und seine Lebensumstände (lesen Sie dazu auch „“). Beide verfolgen das gleiche Ziel: eine Krankheit zu heilen beziehungsweise bestmöglich zu behandeln. Das Konzept dazu heißt Shared-Decision-Making (SDM), in Deutschland wird auch der Ausdruck partizipative Entscheidungsfindung (PEF) verwendet. Die Idee ist, dass Erkrankte so gut über Ursachen, Prognose und Therapiemöglichkeiten ihres Gesundheitsproblems Bescheid wissen, dass sie gemeinsam mit ihrem Arzt eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen können.

Entscheidungsfindung: Patienten bisher oft außen vor

Wie notwendig eine solche Maßnahme ist, beschreibt Christa Stewens, ehemalige Sozial- und Gesundheitsministerin in Bayern, auf einem Symposium von Roche Pharma beim Deutschen Kongress für Versorgungsforschung im Oktober 2017 in Berlin: „Patienten werden bei wichtigen Entscheidungen zu ihrer Gesundheit immer wieder außen vorgelassen“, sagt sie. „Shared-Decision-Making ist der richtige Weg, sie in den Prozess ihrer Gesundung einzubeziehen.“ Stewens definiert SDM als einen Interaktionsprozess mit dem Ziel, unter gleichberechtigter, aktiver Beteiligung von Arzt und Patient auf Basis geteilter Informationen zu einer gemeinsamen Übereinkunft zu kommen. Die Vorteile des Modells: Wenn Patienten beteiligt werden, nehme das Wissen der Betroffenen zu, sie bekämen eine realistischere Erwartung bezüglich des Behandlungsverlaufs, die Therapietreue steige und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient verbessere sich (lesen Sie dazu auch „Der Therapie treu bleiben“ und „Wie Patienten die Kommunikation mit dem Arzt verbessern können“). „Daher wäre es wichtig, SDM stärker in der Regelversorgung zu implementieren“, betont die Staatsministerin a.D. „Doch davon sind wir noch weit entfernt – leider.“

Shared-Decision-Making: Kommunikation spielt entscheidende Rolle

Eine wichtige Rolle für die gemeinsame Therapieentscheidung spielt die Kommunikation, mit der die Informationsasymmetrien zwischen Arzt und Patient überwunden werden. Eine besondere Herausforderung sei, dass in der Medizin komplexe Sachverhalte und häufig auch schlechte Nachrichten zu übermitteln seien, erläutert der Experte für Patienten-Arzt-Kommunikation Dr. Jens-Ulrich Rüffer auf dem Symposium. Oft gelte es auch, Angehörige einzubeziehen sowie auf ethnische und kulturelle Besonderheiten von Patienten Rücksicht zu nehmen. „Wenn wir im Gespräch mit dem Patienten nur Informationen weitergeben und die Beziehungsebene nicht beachten, kommt bei den Betroffenen nichts an“, erläutert der Onkologe, der heute als Filmemacher arbeitet. Ärzte müssten die Emotionen der Patienten aufgreifen, ehrlich sein und keine falschen Hoffnungen machen. Über das SDM-Modell könnten sie die Patienten einladen, sich an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, sie über Nutzen und Risiken der Behandlungsoptionen aufklären und sie bei der Bewertung der Alternativen zu unterstützen. Rüffer weist darauf hin, dass Mediziner gar keine Wahl hätten: Sowohl das Patientenrechtegesetz als auch Leitlinien und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geben vor, Patienten in die Entscheidungsfindung einzubeziehen (lesen Sie dazu auch „Was besagt das Patientenrechtegesetz?“ und „Medizinische Leitlinien für Ärzte und Patienten“). Um das Modell umzusetzen, brauche es spezielle Trainings für Ärzte sowie Entscheidungshilfen für Patienten, erläutert Rüffer. Außerdem müssten Pflegekräfte qualifiziert werden.

Weitere Informationen:

Die Webseite von Prof. Martin Härter vom Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf hat sich zum Ziel gesetzt, die partizipative Entscheidungsfindung zu fördern. Auf ihr finden sich auch Entscheidungshilfen für Patienten: www.patient-als-partner.de

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