"Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

Wo steht Deutschland momentan beim Themengebiet Prävention? Welche Weichen müssen jetzt gestellt werden?
Und welche Vorhaben will die Ampel-Koalition in dieser Legislaturperiode noch umsetzen? Diese und noch mehr Fragen beantwortet uns Kristine Lütke. Sie ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Mitglied im Gesundheitsausschuss und Sprecherin für Sucht- & Drogenpolitik der FDP-Bundestagsfraktion.

Wo steht Deutschland momentan beim Themengebiet Prävention? Was ist der momentane Ausgangspunkt?

Kristine Lütke: Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung, also die Vermeidung, Heilung und Linderung von vielen Krankheiten hervorzuheben. Die Gesundheitskompetenz jeder und jedes Einzelnen ist ein Baustein für die Gesundheit unserer Gesellschaft. Eine bessere Gesundheitsförderung könnte jedes Jahr hunderttausende Leben retten. Denn ca. 190.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr aufgrund von Folgen von ungesunder Lebensweise, Alkohol- oder Tabakkonsum. Etwa 40 Prozent aller Krebserkrankungen könnte ebenfalls durch gesünderes Verhalten vorgebeugt werden.

Gleichzeitig muss die Ausgabenstruktur des Gesundheitssektors zugunsten der Prävention überdacht werden. Während Deutschland pro Einwohner so viel Geld wie kein anderes Land der Europäischen Union in sein Gesundheitssystem investiert, liegt die Lebenserwartung nur leicht über dem europäischen Durchschnitt. Der Bundesrechnungshof kritisiert zudem, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen, die für Prävention und Gesundheitsförderung eingeplanten Mittel stattdessen für Marken- und Imagewerbung investieren.

Welche Weichen müssen jetzt gestellt werden?

Kristine Lütke: Wir Freie Demokraten wollen das Präventionsgesetz reformieren. Dabei setzen wir auf Überzeugung statt Bevormundung. Kindern und Jugendlichen muss bereits in Kindergärten, Schulen und in der Ausbildung ein gesunder Lebensstil vermittelt und damit die Verhütung von Krankheiten ermöglicht werden, das ist die schon genannte Stärkung der Gesundheitskompetenz des Einzelnen. Im Sinne eines lebenslangen Gesundheitslernens sollen aber auch Erwachsene entsprechende Informationen erhalten. Prävention, Krankheitsfrüherkennung und Gesundheitsförderung kommt eine wichtige Bedeutung zu, die nicht nur das Gesundheitswesen umfasst, sondern altersunabhängig die gesamte Gesellschaft.

Durch die Reform der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) zum Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) setzen wir als Koalition einen neuen Fokus auf Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung. Durch die Stärkung der Öffentlichen Gesundheit sollen nicht nur die Lebensqualität der Menschen gesteigert und ihre Lebenserwartung verlängert, sondern auch Kosten im Gesundheits- und Sozialsystem reduziert werden.

Welche Vorhaben will die Ampel-Koalition in dieser Legislaturperiode noch umsetzen?

Kristine Lütke: Als Koalition wollen wir die Präventionsarbeit und Gesundheitsförderung weiter stärken. Der Konsum von Tabak und Alkohol in Deutschland sinkt. Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Ausgaben für Tabakwaren reduzierten sich 2022 um fast acht Prozent. Beim Alkohol zeigt sich ein ähnliches Bild: Auch der Alkoholkonsum ist letztes Jahr im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken. Allerdings wird in Deutschland immer noch mehr Alkohol getrunken als im weltweiten Schnitt. Aus diesem Grund setzen wir auch bei der Alkohol- und Nikotinprävention auf verstärkte Aufklärung. Einen besonderen Fokus wollen wir dabei auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen setzen. Generelle Verkaufs- oder Konsumverbote lehnen wir Freien Demokraten dabei jedoch ab.

Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahre?

Kristine Lütke: Wir Freie Demokraten setzen uns für eine bundesweite Kampagne zur Entstigmatisierung psychischer Krankheiten ein und wollen gerade an Schulen die Aufklärung über psychische Gesundheit verstärken. Dadurch enttabuisieren wir die Erkrankungen und erleichtern die Inanspruchnahme von therapeutischen Angeboten.

Ebenso wollen wir weitere Fortschritte bei Impfungen und -quoten erreichen, denn diese sind ein entscheidender Faktor für mehr Prävention. Durch die Corona-Pandemie sind bspw. die Zahlen der HPV-Impfungen deutlich vom WHO-Ziel abgerückt. Dabei machen durch HPV ausgelöste Erkrankungen etwa 5 Prozent der Krebserkrankungen weltweit aus.

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