Blickpunkt: 10 Jahre Patientenrechtegesetz

Vor zehn Jahren wurde das Patientenrechtegesetz beschlossen. Doch was sind Patient:innenrechte überhaupt? Was regelt das Gesetz? Und wie steht die aktuelle Bundesregierung zum Thema Patient:innenrechte? Diese und noch mehr Fragen werden in unserem Blickpunkt beantwortet.

Um was geht es beim Thema Patient:innenrechte?

Die Rolle und das Selbstverständnis der Patient:innen hat sich im Laufe der Zeit verändert. Sie sind keine Kranken, die blind ihren Ärzt:innen vertrauen müssen. Sie sind zunehmend informierter und kritischer und wollen mit Ärzt:innen, medizinischen Mitarbeiter:innen und Krankenhäusern auf Augenhöhe sprechen. Das Patientenrechte-Gesetz hat dafür gesorgt, diesen Wandel auch gesetzlich nachzuvollziehen und hat die Patientenrechte erstmals nach langer politischer Diskussion definiert. Das Gesetz fördert unter anderem eine starke Fehlervermeidungskultur bei Behandelnden, stärkt die Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern und die Rechte gegenüber Leistungsträgern im Gesundheitswesen. Zudem haben Patient:innen mehr Möglichkeiten, sich umfassend zu informieren. So schreibt das Gesetz vor, dass Ärzt:innen in „verständlicher Weise“ über die Diagnose und Therapie informieren müssen.
Konkret bedeutet das Gesetz für Patient:innen:

  • Patient:innen können sich ihren/ ihre Ärzt:in frei aussuchen
  • Sie müssen die Behandlungsunterlagen und Akten einsehen können
  • Patient:innen dürfen selbstbestimmt entscheiden
  • Sie haben das Recht auf Schadensersatz bei Behandlungsfehlern
  • Sie können die (gesetzliche) Krankenversicherung frei wählen
  • Sie können Leistungen wie medizinische Versorgung, Rehabilitation, Kranken- oder Pflegegeld in Anspruch zu nehmen
  • Ärzt:innen haben eine Pflicht zur Information und Aufklärung

Diese Rechte können Patient:innen nicht nur gegenüber Ärzt:innen geltend machen, sondern auch gegenüber Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sowie anderen Akteuren des Gesundheitswesens wie zum Beispiel Heilpraktiker:innen, Hebammen oder Psychotherapeut:innen. Eine Herausforderung liegt auch heute noch darin, dass viele Patient:innen ihre Rechte nicht kennen. Damit sich das ändert, gibt es mittlerweile viele Informations- und Beratungsangebote. Nicht nur das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Gesundheit informieren auf ihren Webseiten ausführlich über die Patient:innenrechte, sondern auch Anlaufstellen wie die Unabhängige Patientenberatung (UPD) informieren und beraten bei konkreten Anliegen kostenfrei.


Zum Weiterlesen:

Kennen Sie ihre Patientenrechte? (Bundesgesundheitsministerium)

Patientenrechte (Gesund.Bund)

Alles über Patientenrechte (KBV)

Vorsorge und Patientenrechte (Bundesjustizministerium)

Patientenrechte (Bundesärztekammer)

10 Jahre Patientenrechte (Patientenbeauftragter der Bundesregierung)

G-BA, Patient:innensouveränität und Patient:innenbeteiligung – Was bedeutet das?

Patient:innenrechte sind stark an die Patient:innensouveränität und -beteiligung geknüpft. Denn wenn von Patient:innensouveränität gesprochen wird, dann geht es um mehr Selbstbestimmung im Leben. Das bedeutet und erfordert auch, dass Patient:innen in der Lage sind, sich frei über die eigenen und individuellen Gesundheitsprobleme zu informieren. Das Patientenrechte-Gesetz spiegelt genau das wider und bestärkt die Patient:innen dabei in ihren Rechten und Pflichten. Patient:innen sollen so in der Lage sein, sich auf Augenhöhe mit dem/ der Ärzt:in zu unterhalten, sich über ihre Krankheit zu informieren und sich kritisch mit der vorgeschlagenen Therapie auseinandersetzen zu können.

Damit die Stimme der Patient:innen gehört wird, wird die Patient:innenperspektive an unterschiedlichen Stellen eingebunden. In vielen Unternehmen, Initiativen und Gremien gibt es die Möglichkeit, sich einzubringen. Nicht zuletzt auch hier auf dem vfa-Patientenportal. Daneben gibt es auch im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Patient:innenvertreter:innen. Der G-BA hat den Spitznamen „kleiner Gesetzgeber“, weil er darüber entscheidet, welche medizinischen Leistungen die gesetzlich Versicherten erhalten. Der G-BA setzt sich aus 13 Mitgliedern zusammen, die in einem Plenum etwa alle zwei Wochen zusammenkommen. Zehn Mitglieder werden von den Trägerorganisationen benannt. Das sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband). Drei Mitglieder sind unparteiisch und werden von den anderen Organisationen vorgeschlagen. Diese Patientenvertreter:innen können im G-BA mitberaten und Anträge stellen, haben aber kein Stimmrecht. Mit einer Reform soll sich das aber möglicherweise ändern: Laut des Koalitionsvertrags soll die Patienten:innenperspektive mehr in den Mittelpunkt gestellt werden und Vertreter:innen eine stärkere Position innerhalb des Ausschusses einnehmen.



Zum Weiterlesen:

G-BA schnell erklärt (vfa)

Patientenbeteiligung (G-BA)

Was versteht man unter Patientenbeteiligung? (BAG Selbsthilfe)

Wie steht die aktuelle Bundesregierung zum Thema Patient:innenrechte?

2013 wurde das „Patientenrechte-Gesetz“ beschlossen. 10 Jahre nach seinem In-Kraft-Treten besteht weiterer Handlungsanlass. Für die laufende Legislaturperiode hat die Koalition mehrere Reformvorhaben geplant. Denn: Patient:innenrechte sind besonders wichtig, damit Patient:innen ihre Rechte durchsetzen und somit zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen beitragen können.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien finden sich konkrete Vorhaben, um diese Rechte zu stärken. Einerseits sollen die Unabhängige Patientenberatung (UPD) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) reformiert werden. Andererseits sollen geförderte und erfolgreiche Projekte, wie z.B. der Patient:innenlotse, in die Regelversorgung überführt werden. Bei Behandlungsfehlern soll die Stellung der Patient:innen im bestehenden Haftungssystem gestärkt werden. Zudem soll auch das Patientenrechte-Gesetz aktualisiert und weiterentwickelt werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will in diesem Jahr ein Eckpunkte-Papier vorlegen. Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, sieht Ansatzpunkte, um die Patient:innerechte weiter zu stärken – z.B. durch den Abbau rechtlicher Hürden, um die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern.

Nicht nur durch eine konkrete Überarbeitung des Patientenrechte-Gesetzes sollen Patient:innen gestärkt werden. Ihre Rechte werden in aktuellen Gesetzesvorhaben auch indirekt berührt. So ist die Gesetzgebung zur Digitalisierung des Gesundheitswesens ein Beispiel dafür, denn z.B. tangiert die elektronische Patientenakte (ePA) die Patient:innenrechte. Patient:innen haben mit der ePA die Möglichkeit, jederzeit auf ihre eigenen Gesundheitsdaten zuzugreifen und können selbstständig entscheiden, mit wem sie welche Daten teilen wollen. Auch das ist ein Schritt zu mehr Patient:innensouveränität. Auf der anderen Seite bedeutet das aber, dass diese Daten und die Privatsphäre von Patient:innen bestmöglich geschützt werden müssen.



Zum Weiterlesen:

Koalitionsvertrag (Bundesregierung)

10 Jahre Patientenrechtegesetz (Bundesregierung)

Was ist das Patientenrechtegesetz? (Bundesgesundheitsministerium)

Stärkung der Patientenrechte (Ärzteblatt)

Welche politischen Reformvorhaben gibt es momentan in Bezug auf Patient:innenrechte?

Im Koalitionsvertrag werden insbesondere zwei große Rerformvorhaben erwähnt: der G-BA und die UPD. Beide Vorhaben haben unterschiedliche Schwerpunkte, sollen aber in Zukunft die Patient:innenrechte weiter stärken.
Die Unabhängige Patientenberatung ist eine gemeinnützige Einrichtung, die seit knapp 20 Jahren Patient:innen kostenlos zu gesundheitsrechtlichen Fragen berät. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz der Bürger:innen zu verbessern und die Patient:innensouveränität zu stärken. Ursprünglich wurde die UPD vom Verbraucherzentrale Bundesverband, dem Verbund unabhängige Patientenberatung und dem Sozialverband betrieben. Seit 2016 führt das Unternehmen „Sanvartis“ die UPD. Wenn Patient:innen Rat und Unterstützung zu einem Thema in diesem Bereich benötigen, können sie sich an über 30 bundesweite Beratungsstellen wenden. Auch wenn die UPD nicht die Beratung von Ärzt:innen ersetzt, kann sie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Im Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien vereinbart, dass die UPD neu aufgestellt werden soll.

Ende 2022 gab es dazu einen ersten Gesetzesentwurf, der mittlerweile sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat seine Zustimmung gefunden hat. Das Gesetz sieht vor, dass die UPD in Zukunft als Stiftung organisiert wird, inkl. Stiftungsvorstand, Stiftungsrat und einem wissenschaftlichen Beirat. Der Stiftungsrat besteht aus Vertreter:innen der Bundesregierung, des Bundestags, des GKV-Spitzenverbands und evtl. auch der Privaten Krankenversicherung. Einen zusätzlichen Platz im Rat sollen auch Patient:innenvertretungen bekommen. So soll gewährleistet werden, dass die Patient:innenperspektive ausreichend berücksichtigt wird. Durch das Gesetz ändert sich auch die Finanzierung. Der Spitzenverband Bund finanziert die Stiftung mit jährlich rund 15 Millionen Euro. Die PKV kann sich freiwillig ebenfalls an der Finanzierung beteiligen. So soll eine noch größere Unabhängigkeit gewährleistet werden. Geplant ist, dass die Stiftung ab dem 1. Januar 2024 ihre Tätigkeit aufnimmt.

Neben der UPD soll auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) neu aufgestellt werden. Dieses Jahr sollen zwei Versorgungsgesetze verabschiedet werden, die auch eine Reform des G-BA beinhalten. Im sogenannten „Versorgungsgesetz I“ wird die Reform konkret erwähnt. Die Diskussion um die Reform ist allerdings nicht neu. Unter anderem wird kritisiert, dass der Einfluss der Krankenkassen im GB-A zu groß sei und Patient:innen zu wenig vertreten würden. So ist geplant, dass der Gemeinsame Bundesausschuss effizienter selbstständig Entscheidungen treffen kann und die Patient:innenvertretung gestärkt wird, damit ihre Stimme besser gehört wird. Auch gibt es eine anhaltende Diskussion darüber, ob Vertreter:innen der Pflege ein Mitberatungsrecht bekommen. Die exakten Pläne zum Versorgungsgesetz I und der damit verbundenen G-BA Reform sollen noch im Jahr 2023 vorgelegt werden.



Zum Weiterlesen:

Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (AOK)

Unterstützung für Reform der unabhängigen Patientenberatung (Deutscher Bundestag)

Unabhängige Patientenberatung (Verbraucherzentrale)

Bei geplanter GBA-Reform ist noch vieles offen (Ärztezeitung)

BMG plant Versorgungsgesetze ohne Apotheken (DAZ.online)