"Ein schneller, sicherer und unkomplizierter Zugang zur Behandlung"

Wie läuft die Entwicklung einer Digitalen Gesundheitsanwendung ab und wie profitieren Patientinnen und Patienten von diesen Anwendungen? Über diese und weitere Fragen haben wir mit Stanton Sugarman von der GAIA AG gesprochen. Das Unternehmen aus Hamburg entwickelt digitale Lösungen für die medizinische Versorgung.

Herr Sugarman, nehmen Sie uns mit: Wie entwickeln Sie bei GAIA Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)?

Stanton Sugarman: Lange bevor die Digitalisierung in Deutschland Einzug in das Gesundheitswesen gehalten hat, haben wir uns bei GAIA bereits mit digitalen Therapien beschäftigt. Unser Ziel war es schon damals, Menschen durch digitale Lösungen dabei zu unterstützen, ihre psychische und physische Gesundheit wiederherzustellen und zu erhalten. Mittlerweile blicken wir auf über 20 Jahre Erfahrung in der Forschung und Entwicklung evidenzbasierter, sicherer und zugänglicher Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zurück.

Bei der Entwicklung unserer Programme stellen wir immer die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt. Am Anfang jedes Prozesses fragen wir uns, wie wir ihnen helfen und zur Lösung ihres Problems beitragen können. Darauf basiert unser gesamter Prozess, in den Experten aus unterschiedlichen Bereichen involviert sind.
Stanton Sugarman von der GAIA AG.

Gemeinsam im Team entwerfen unsere klinischen und medizinischen Experten einen Behandlungsplan und beziehen dabei auch den Input unserer Forschungspartner ein. Nachdem dieser Entwurf gründlich validiert und getestet wurde, entwickeln wir daraus unsere digitalen Therapeutika. Unsere Design- und Entwicklungsteams tragen maßgeblich dazu bei, dass unsere Programme immer auf die spezifischen Patientenbedürfnisse zugeschnitten sind. Die Teams für die Zulassung und den Marktzugang wiederum sorgen dafür, dass unsere Produkte den Sicherheitsvorschriften entsprechen.

Doch damit ist die Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Einen weiteren wichtigen Teil stellt die Konzeption und Durchführung einer streng randomisierten kontrollierten Studie (RCT) dar. Denn seit dem ersten Tag setzt sich GAIA dafür ein, dass Patientinnen und Patienten, die dringend Zugang zu evidenzbasierten, wirksamen digitalen Therapien benötigen, diesen auch erhalten. Das erreichen wir, indem wir umfassende RCTs durchführen, wofür wir mit unserem internen Team für klinische Studien sowie mit universitären Partnern zusammenarbeiten. So konzipieren wir Studien, die uns dabei helfen, zu verstehen, ob unsere Digitalen Gesundheitsanwendungen einen positiven Effekt auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten haben.

Welchen Nutzen bringen DiGA für Patientinnen und Patienten?

Die Nachfrage nach einer besser zugänglichen medizinischen Versorgung wächst. Denn chronische Erkrankungen, die behandelt werden müssen, nehmen zu – nicht zuletzt, weil die Menschen immer älter werden. Gleichzeitig wird der Zugang zu medizinischer Versorgung aber schwieriger. Das zeigt sich vor allem in ländlichen Regionen, in denen immer weniger Ärzte und Ärztinnen verfügbar sind sowie in einigen medizinischen Fachrichtungen, in denen Patientinnen und Patienten nicht selten mehrere Monate auf einen Termin oder Therapieplatz warten müssen. Digitale Lösungen sind daher heute wichtiger denn je, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Dabei soll eine DiGA die konventionelle Therapie sinnvoll ergänzen.

Mit unseren DiGA sorgen wir dafür, dass möglichst viele Menschen schnell, sicher und unkompliziert Zugang zu einer Behandlung erhalten, ohne dass sie regelmäßig eine Praxis aufsuchen müssen. Eine DiGA kann immer genutzt werden, völlig unabhängig davon, wo sich die Patientinnen und Patienten befinden und wann sie die Therapie in Anspruch nehmen möchten. Damit lässt sich die Behandlung hervorragend in den Alltag integrieren. Statt Termine in Praxen wahrzunehmen und hierfür zusätzlich Wartezeiten und Fahrtwege einzuplanen, kann die Therapie bequem von zu Hause aus durchgeführt werden. Das entlastet zum einen das medizinische Personal, vor allem aber die Patientinnen und Patienten selbst. Ältere Menschen, die weniger mobil sind, profitieren von einer DiGA daher genauso wie diejenigen, die mit den digitalen Helfern die Zeit bis zum Therapiebeginn überbrücken und sinnvoll nutzen möchten.

Dank der örtlichen und zeitlichen Unabhängigkeit sind die Online-Helfer natürlich auch besonders in der aktuellen Pandemie-Zeit sehr nützlich. Wer eine DiGA verwenden kann, reduziert die Gefahr, sich in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Wartezimmer anzustecken.

Die wohl wichtigste Frage ist allerdings, ob Digitale Gesundheitsanwendungen auch tatsächlich wirksam sind. Hier können wir eine klare Antwort geben: Ja, das sind sie. Denn um dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen zu werden, was bei den DiGA von GAIA der Fall ist, müssen die Programme bestimmte Kriterien erfüllen. So muss beispielsweise durch eine randomisiert kontrollierte Studie ein positiver Versorgungseffekt nachgewiesen werden. Patientinnen und Patienten können daher sicher sein, dass sie mit einer DiGA Zugang zu einer Behandlung erhalten, die nicht nur an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbar, sondern auch nachgewiesen wirksam ist.

Wie entscheiden Sie, für welches Krankheitsbild die Entwicklung einer DiGA besonders geeignet ist?

Wir setzen bei GAIA mit unseren DiGA dort an, wo wir Defizite in der üblichen medizinischen Versorgung erkennen, wie beispielsweise in der Behandlung von Fatigue bei Multipler Sklerose, für die es bisher keine wirksame medikamentöse Behandlung gibt. Für dieses chronische Erschöpfungssyndrom haben wir elevida entwickelt. Daneben haben wir bisher DiGA für die Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Angstzuständen (velibra), Depressionen (deprexis) oder Alkoholproblemen (vorvida) entwickelt und bieten digitale Therapieprogramme in den Bereichen der Schmerztherapie und Onkologie an.

Für die Entscheidung über die Entwicklung einer DiGA holen wir auch die Meinung langjähriger Forschungspartner ein. So arbeiten wir seit vielen Jahren erfolgreich mit Universitäten und führenden Wissenschaftlern zusammen, wie beispielsweise mit Prof. Dr. Thomas Berger, der als Pionier im Bereich der digitalen psychotherapeutischen Behandlungen gilt. Gemeinsam identifizieren wir Versorgungslücken, die wir mit Hilfe unserer DiGA schließen möchten. Dabei berücksichtigen wir auch, wie groß die sozio-ökonomischen Herausforderungen in Bezug auf ein Krankheitsbild sind.

Wie testen und optimieren Sie die Nutzerfreundlichkeit einer DiGA?

Bevor wir unsere DiGA auf den Markt bringen, prüfen wir nicht nur ihre Wirksamkeit, sondern validieren auch die Nutzerfreundlichkeit. Dafür haben wir einen strengen Plan entwickelt, der fester Bestandteil des Entwicklungsprozesses unserer DiGA ist und aus drei Evaluationsphasen besteht.

Das Ziel dieser Evaluationsphasen ist es, unser Produktdesign zu überprüfen, die Stärken und Schwächen des Designs der Benutzeroberfläche zu untersuchen, die Verständlichkeit des Produktinhaltes zu bewerten und die Wirksamkeit der Risikominderungsmaßnahmen zu beurteilen. Außerdem erstellen wir einen umfassenden Post Market Surveillance Plan, der es uns erlaubt, die Qualität, Leistung und Sicherheit unserer DiGA während ihres gesamten Lebenszyklus zu beurteilen. Durch diese Maßnahmen können wir unsere DiGA stetig weiterentwickeln und die Nutzerfreundlichkeit optimieren.

Selbstverständlich ist uns auch das Feedback unserer Nutzerinnen und Nutzer wichtig. Die Erkenntnisse, die wir aus Supportanfragen bezüglich der Anwenderfreundlichkeit gewinnen, fließen daher genauso in die Verbesserung unserer Programme ein wie Kritik und Vorschläge, die uns unsere Nutzerinnen und Nutzer direkt zukommen lassen.

Sind DiGA wirklich sicher? Wie gewährleisten Sie die Sicherheit?

Bei DiGA handelt sich um Medizinprodukte und nicht um technische Spielereien. Deshalb hat die Sicherheit unserer Gesundheitsanwendungen für uns oberste Priorität.

Dabei geht es zum einen natürlich um die Patientensicherheit. DiGA weisen ein ähnliches Sicherheitsprofil wie Medikamente auf, die für die Zulassung bekanntermaßen strenge Kriterien erfüllen müssen. Ebenso müssen auch DiGA ein Prüfverfahren durchlaufen, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) festgelegt und kontrolliert wird, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. So müssen Hersteller von DiGA geeignete Maßnahmen ergreifen, um Risiken in der Nutzung so gering wie möglich zu halten und den positiven Versorgungseffekt durch randomisierte kontrollierte Studien nachweisen. Ein entscheidender Vorteil für die Patientensicherheit zeigt sich bei unseren DiGA auch in Bezug auf die Nebenwirkungen. Denn diese treten grundsätzlich seltener auf und es besteht ein geringes Risiko für schwere Nebenwirkungen.

Auch die technische Sicherheit unserer DiGA, die durch die CE-Kennzeichnung gegeben ist, und die Datensicherheit sind für uns entscheidend. Diese zu gewährleisten ist bei Anwendungen im Medizinbereich besonders essenziell. Immerhin geht es hier um sensible Gesundheitsdaten. Diese möchten wir genauso schützen wie die Anonymität unserer Nutzerinnen und Nutzer. Deshalb stellen wir unsere DiGA ausschließlich als webbasierte Anwendungen und nicht als Download-Apps zur Verfügung. Damit verhindern wir, dass App-Stores über Nutzerdaten Rückschlüsse auf Erkrankungen ziehen können, indem sie erfassen, ob und wie eine DiGA verwendet wird.

Selbstverständlich erfüllen wir auch mit all unseren Programmen die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und nutzen Server, die sich in einem ISO 27001-zertifizierten Rechenzentrum in Deutschland befinden.

Was erwartet die Patientinnen und Patienten in der Zukunft mit Blick auf digitale Gesundheitslösungen?

Die Digitalisierung wird das Gesundheitswesen weiter verändern. Gründe wie die alternde Bevölkerung, der zunehmende Kostendruck auf die Kostenträger und technologische Innovation tragen ihren Teil dazu bei. Wir gehen davon aus, dass beispielsweise das Angebot im Bereich der Telemedizin deutlich wachsen wird und Digitale Gesundheitsanwendungen ein ganz normaler Teil der medizinischen Versorgung werden, der für Patientinnen und Patienten so selbstverständlich sein wird wie der Arztbesuch. DiGA werden die Behandlung von Krankheiten zukünftig noch stärker unterstützen und verbessern. Dabei werden auch vermehrt Wearables wie Fitness- und Wellnesstracker oder VR-Brillen zum Einsatz kommen, die mit Digitalen Gesundheitsanwendungen und Apps vernetzt werden können.

Dank der Digitalisierung kann die Gesundheitsversorgung in Deutschland insgesamt verbessert werden. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und die Weichen entsprechend gestellt.
Digitale Gesundheitslösungen werden aus der Gesundheitsversorgung nicht mehr wegzudenken sein und das Leben von Patientinnen und Patienten als Alltagshelfer erheblich erleichtern.

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